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Anforderungen an ein modernes Bewerbungsporträt.

Eigentlich ist die Sache klar: Beim Bewerbungsfoto kann man entweder die Chance nutzen und beim Personalentscheider punkten oder aber sich aufs Abstellgleis begeben.

Dieser fotografische Ratgeber richtet sich an Fotografen und Personen, welche selber ein wirkungsvolles Bewerbungsfoto fotografieren möchten.

1. Das Bildformat: Hoch oder quer?

Das von Passfotos bekannte Hochformat wirkt heute eher angestaubt und beengend. Mit einem Porträt im Querformat lässt man dem Bild Raum zur Entfaltung, das Gesicht kann atmen, es wirkt frisch, leicht und modern. Leider sind noch viele Vorlagen für Bewerbungsdossiers auf hochformatige Bewerbungsfotos ausgelegt und man muss sie daher selbst anpassen. Der kleine Aufwand lohnt sich jedoch, da das Bild damit positiv aus der Masse der Bewerber heraussticht.

Fazit: Querformatige Porträts sind empfehlenswert.

2. Lichtsetup im Studio

Der Bewerber sollte auf dem Porträt nicht so wirken, als stünde er «mit dem Rücken zur Wand». Daher stets genügend Abstand zur Wand (1-2 Meter!). Damit gibt es auch keine unschönen Schattenwürfe.

So sieht ein typisches Setting für ein Bewerbungsfoto aus:

a) Hintergrundkarton, neutrales grau oder weiss, selten farbig oder schwarz.

b) Der Porträtierte, mit genügend Abstand zum Hintergrund

c) Haarlicht/Streiflicht: Standardreflektor mit Wabenvorsatz 20°

d) Hintergrundlicht: Standardreflektor mit Wabe 12°

e) Beauty-Dish mit Wabe

f) Weisse Styroporwand (zum leichten Aufhellen der Seite)

g) Kinnreflektor: Macht die Kinnregion heller und leichter.

3. Der Hintergrund

Hintergrund: Der Hintergrund sollte zwar neutral und ohne Strukturen sein (damit er nicht vom Gesicht ablenkt). Dennoch sollte er auch nicht flach und eindimensional wirken. Hierzu empfiehlt es sich, mit einem radialen Studiolicht einen Helligkeitsverlauf zu gestalten. Der hellste Punkt sollte hierbei nicht genau in der Mitte sein, sondern leicht versetzt, auf der anderen Seite des Haarlichts.

Beispiele zu vermeidender Situationen:

Unruhiger Hintergrund, lenkt ab, sieht unprofessionell aus.
Totgeblitzt: Durch den frontalen Blitz werden unschöne Schatten auf dem Hintergrund erzeugt. Ausserdem fehlt dem Gesicht die Zeichnung.
Zu nahe am Hintergrund. Dadurch harter Schatten, der ablenkt.

4. Das Haarlicht

Haarlicht/Streiflicht: Der Mensch erhält mehr räumliche Tiefe, wenn die Haare und Konturen hervorgehoben werden. Ein scharfes Licht von hinten oben bringt einen gesunden Glanz in die Haare. Bei grauhaarigen Menschen muss man jedoch vorsichtig sein, schnell wirken die Haare dann weiss… hier eher wieder etwas zurück regeln.

Zum Vergleich: Dasselbe Setting, aber ohne Haarlicht.

5. Das Hauptlicht

Hauptlicht: Zur Ausleuchtung des Bewerbers verwende ich sehr gerne einen grossflächigen Beautydish mit vorgesetzter Wabe. Dieses Licht füllt das Gesicht und hat dennoch die Härte um dem Porträt die nötige Portion Klarheit und Kontrast zu verleihen. Für mich ist es wesentlich, dass der Charakter des Porträtierten durch Licht und vor allem auch Schatten hervorgehoben wird. Weichgespülte «Wischiwaschi»-Porträts gehen in der Masse unter, sind langweilig und wenig aussagekräftig.

Untenstehendes Bild: Besonderes Augenmerk sollte darauf gelegt werden, dass bei Brillenträgern keine störenden Reflektionen auftreten. Dagegen helfen übrigens nur zwei Dinge: Erstens das Hauptlicht etwas höher platzieren und zweitens sollte die Person das Gesicht leicht nach unten neigen.

6. Das richtige Objektiv: Nur keine Knollennase

Beim Fotografieren kann man mit der Wahl des Objektives komplett unterschiedliche Wirkungen erzielen. Bei einem Porträt sollte man es tunlichst vermeiden, ein weitwinkliges Objektiv einzusetzen. Das Ergebnis wäre starke Verzerrungen, selbst eine Stupsnase würde zur Knollennase. Mit einer langen Brennweite erzielt man eine harmonische natürliche Wirkung, fast schon verschlankend. Positiver Nebeneffekt: Der Hintergrund wird dank zunehmender Unschärfe unbedeutender und feiner.

Hier einige Beispiele, welche bei gleichen Einstellungen – nur die Brennweite wurde verändert – die unterschiedlichen Wirkungen aufzeigen:

16 mm | Ultra-Weitwinkel
21 mm | Weitwinkel
50 mm | Normalbrennweite
70 mm | Leichtes Tele
100 mm | Tele
200 mm | Starkes Tele

Man sieht deutlich, wie die Proportionen des Gesichtes bei einem Teleobjektiv ausgewogener wirken, die Nase weniger dominant und auch die Raumwirkung (Hintergrund) lenkt weniger ab. Typische Handy-Selfies bewegen sich übrigens im Weitwinkelbereich.

7. Haltung, Posen und Haare

Was möchten wir mit einem Bewerbungsbild erreichen? Das Interesse an der Person wecken, Zugänglichkeit, Teamfähigkeit und Menschlichkeit herausstreichen. Der Bewerber sollte sich auf Augenhöhe präsentieren, sich freundlich und fröhlich zeigen und damit Selbstbewusstsein und Motivation ausstrahlen.

Haltung: Körperspannung! Nicht lasch dastehen, sondern mit beiden Beinen am Boden, gerne auch etwas breitbeinig oder Arme einstützen. Bauch rein und Brust raus. Nicht zu fest abdrehen (wirkt schnell abweisend), Kopf direkt zur Kamera (Betrachter), direkter Blick.

Gut! Direkter Blick mit leicht geöffnetem Mund. Signalisiert Interesse, Zugänglichkeit, Offenheit. Man fühlt sich eingeladen, mit dem Bewerber ins Gespräch zu gehen, ihn kennenzulernen.

Nase zu hoch getragen. Wirkt auf den Betrachter überheblich und unnahbar. Keine gute nonverbale Botschaft an den Personalentscheider.

Zu stark geneigter Kopf.
Vermittelt ein verspieltes, eher unsicheres, schüchternes Bild des Bewerbers.

Kopf zu fest nach unten geneigt.
Unterwürfigkeit und Unsicherheit sind nicht die richtigen Charaktereigenschaften, welche hier nonverbal vermittelt werden.

Zu stark abgeneigt, extremer Schatten.
Der Bewerber scheint sich abzuwenden, zeigt wenig Interesse, sich in ein Team zu integrieren, wirkt eher egozentrisch und unnahbar.

Stark abgewendet, schelmisches Grinsen.
Auch hier ist der Bewerber zu stark vom Betrachter abgewendet, der Gesichtsausdruck kann verschieden interpretiert werden.

Frontal oder abgedreht?

Das Abdrehen des Körpers ist stets eine Gratwanderung. Einerseits besteht die Gefahr, dass durch zu starkes Wegdrehen vom Betrachter unnötig Distanz erzeugt wird, andererseits kann das Gesicht durch die leichte seitliche Aufnahme etwas verschlankt werden. Wichtig ist aber in jedem Fall der direkte, offene Blick und eine Ausleuchtung, welche nicht zu viel Schatten wirft.

Kopf zu fest nach unten geneigt.
Unterwürfigkeit und Unsicherheit sind nicht die richtigen Charaktereigenschaften, welche hier nonverbal vermittelt werden.

Zu stark abgeneigt, extremer Schatten.
Der Bewerber scheint sich abzuwenden, zeigt wenig Interesse, sich in ein Team zu integrieren, wirkt eher egozentrisch und unnahbar.

Thema: Damen mit üppiger Haarpracht

Guter Kompromiss
Das Gesicht kommt gut zur Geltung, die Haare sind nicht zu dominant und sind gepflegt. Tipp: Bewerbungsfoto nicht am Tag des Coiffeurtermins machen… am Tag darauf sieht die Frisur oft etwas natürlicher aus, wie frisch vom Frisör.

Nach hinten gekämmt oder Pferdeschwanz
Je nach Branche des Bewerbers kann mit dem nach hinten kämmen oder gar zusammenbinden mehr Härte und Dominanz ausgedrückt werden. Bei Kaderpositionen oder männerdominierten Jobs eher auf Dominanz setzen.

Mädchenhafte Haarpracht
In der Regel empfiehlt es sich nicht, die Haare zu stark ins Gesicht fallen zu lassen. Es vermittelt eher den Eindruck einer unsicheren, mädchenhaften Person, welche sich hinter ihren Haaren «verstecken» möchte.

8. Praxistipp Doppelkinn

Um Nähe und Zugänglichkeit zu zeigen gilt: «Nase runter!» Dies führt aber gerne zu einem unvorteilhaften Doppelkinn. Dies lässt sich aber meist gut vermeiden. Die Person versucht einen langen Hals zu machen und als würde wer an der Nase ziehen, das Gesicht nach vorne bewegen. Dabei sind keine Verrenkungen nötig, bereits ein leichtes nach vorne Schieben des Gesichtes führt zu einem tollen Resultat.

Doppelkinn-Alarm!
Deutlich zu erkennen ist das Doppelkinn durch das Senken der Nase.

Lösung Giraffenblick
Langen Hals machen und das Gesicht nach vorne strecken. (Nicht das Kinn, sondern das ganze Gesicht, als zöge wer an der Nase.)

Erhöhte Perspektive

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass der Fotograf aus einer leicht erhöhten Perspektive fotografiert. Das bringt oft zusätzliche Dynamik ins Bild und vermindert die Gefahr eines Doppelkinns zusätzlich.

Gut: Auf Augenhöhe
Wirkt natürlich, unspektakulär und unverkrampft. Damit kann man eigentlich nichts falsch machen.

Leicht erhöht.
Zusätzliche Bilddynamik wird durch die leicht erhöhte Position erreicht.

Nicht empfehlenswert: Von unten
Fotografiert man die Person von unten, wirkt sie eher überheblich und unzugänglich.

9. Abschliessende Tipps

Verzicht auf Ablenkung

Gerade Damen versuchen gerne ihr Äusseres mit zahlreichen Accessoires zu unterstreichen. Bei einem Bewerbungsfoto ist jedoch eine andere Tugend angesagt. Es geht um den Menschen, den eventuell künftigen Mitarbeiter… und nicht um ein Modell oder Trendsetterin (wenn man mal von speziellen Berufsbildern absieht). Daher empfehle ich, auf reich behängte Ohren, üppig geschmückte Dekolletés und voluminösen Tüchern abzusehen.

Falsche Botschaft. Der Schal mag noch so bequem und wärmend sein, doch wirkt ein solches Bild eher als Werbesujet für ein Hustensaft, als Bewerbungsbild.

Nachbearbeitung: Wieviel Retusche darf es sein?

Der Mensch ist nicht perfekt… und genau das ist gut so. Auswechselbare Modellbilder aus Modezeitschriften kennen wir zu genüge. Bei einem Mitarbeiter sucht man kein Modell, sondern einen motivierten Kollegen mit Ecken und Kanten, der ins Team passt und eben… Mensch ist. Daher gilt die Devise: Kleinen Makel die nur vorübergehend da sind (Pickel, Schürfungen, Rötungen, Schwellungen) darf man gerne bei der Bildnachbearbeitung entfernen. Fältchen, Muttermale, Narben, Unsymmetrien bis hin zur Gesichtsform sollten hingegen nicht oder wenn nur ganz dezent angetastet werden. Denn spätestens beim Vorstellungsgespräch käme die Wahrheit auf den Tisch und die Differenz zwischen Bewerbungsfoto und Realität hinterliesse einen fahlen Beigeschmack.

Nicht zu klein und nicht zu gross

Heute bewirbt man sich oft elektronisch mit einem Bewerbungsdossier als PDF-Dokument. Damit dieses nicht zu einem digitalen Schwergewicht wird (Dateigrösse!), sollte man darauf achten, dass die integrierten Bilder entsprechend kleingerechnet sind. Für normale Zwecke reichen Bewerbungsfoto mit einer Breite von 1500 px völlig aus (reicht gedruckt bis ca. 10×15 cm).

Und dann gibts ja noch den Profi 😉

Ich hoffe, mit meinem kleinen Ratgeber konnte ich einen guten Einblick in die vielen Aspekte eines guten Bewerbungsfotos gewähren. Es steckt eben mehr dahinter, als einfach auf den Auslöser zu drücken. Stattdessen gilt es, das Licht korrekt zu setzen, die Kamera sinnvoll einzusetzen und mit dem Menschen vor der Kamera aktiv zu arbeiten, im die Scheu zu nehmen, ihn abzulenken, damit natürliche, authentische Bewerbungsfotos entstehen können.